Immer wieder hört man von Kolleginnen und Kollegen* die Klage, dass Kunden versuchen, die Preise mit Argumenten zu drücken, auf die sie dann manchmal so schnell keine Antwort finden. Das geht mir natürlich oft genauso. Mit den Jahren fallen einem hin und wieder aber gute Antworten ein. Hier fünf Situationen und Anregungen, wie man möglicherweise damit umgehen kann. Und neue Ideen sind natürlich auch mir jederzeit willkommen! Dabei geht es übrigens auch nicht immer oder in erster Linie darum, den Auftrag doch noch zu bekommen, sondern vor allem darum, im Gespräch zu bleiben.

Argument: „Der Preis ist zu hoch, wir haben nur ein Budget von … Euro“

Das ist sicherlich eines der häufigsten Argumente und noch dazu eines, was man kaum wird widerlegen können. Wenn der Kunde nur ein bestimmtes Budget hat, dann ist das so. Hier zu diskutieren macht wenig Sinn. Und damit sind viele dann auch schon am Ende ihrer Weisheit angelangt. Ihre einzige Strategie besteht darin, nachzugeben und den Preis zu senken. Doch halt: Wollen Sie wirklich dieselbe Leistung für weniger Geld erbringen? Dann haben Sie Ihren Preis also völlig willkürlich festgesetzt oder, schlimmer noch, hoch gepokert? Das ist der Eindruck, der bei vielen Kunden entstehen wird, wenn Sie schlicht und einfach den Preis senken. Als professioneller Übersetzer haben Sie den jedoch sorgfältig kalkuliert und können ihn ggfs. auch begründen (Falls nicht, sollten Sie hier einmal nachschauen, wie man eine solche Kalkulation erstellen kann). Den Preis schlicht senken kommt also nicht in Frage. Bei einem sorgfältig kalkulierten Preis spricht jedoch nichts dagegen, den Leistungsumfang zu reduzieren und dann ein entsprechend niedrigeres Angebot zu machen! Wenn Ihr Angebot verschiedene Leistungen umfasst, wie beispielsweise die OCR-Erkennung und Umwandlung einer PDF- in eine Worddatei, die Erstellung oder Fortführung eines Kundenglossars, das Korrekturlesen durch einen Kollegen oder spezielle Formatierungswünsche, so können Sie durch Wegfall einer oder mehrerer dieser Zusatzleistungen den Preis mit der entsprechenden Begründung plausibel reduzieren.

Mögliche Reaktion: entsprechend reduzierten Umfang anbieten

Argument: „Ich komme auf viel weniger Zeichen/Zeilen/Wörter/Seiten“

Auch dieses Argument wird der eine oder andere bereits kennengelernt haben. Das Problem hierbei ist: Fast jede Software zählt ein wenig anders. Selbst die einzelnen Wordversionen kommen oft nicht auf dasselbe Ergebnis. Und wer nach Zeilen abrechnet weiß, dass mit Übersetzungen unerfahrene Kunden oft die Zeilen ihres Ausgangstexts einfach zählen, da sie nicht wissen, was eine „Normzeile“ ist. Die beste Möglichkeit, diesem Argument frühzeitig zu begegnen besteht darin, vorab mitzuteilen, wie Sie abrechnen werden (nach Normzeile, Worten, Seiten, Pauschal oder auch nach Stunden) und diese Abrechnungsweise von Anfang an genau zu definieren. Sagen Sie Ihrem Kunden bereits bei oder vor Angebotsabgabe, wieviele Anschläge eine Normzeile bei Ihnen umfasst. Und wenn Sie nach Worten abrechnen, ist es auch hier sinnvoll, den Kunden vorher darauf hinzuweisen, wenn Sie damit keine „echten“ Worte meinen, sondern Worte von maximal x Zeichen Länge (wie das beispielsweise bei der Voreinstellung von TextCount® der Fall ist, das mit Worten von 6 Zeichen Länge rechnet).

Lösungsmöglichkeit: Abrechnungsweise vorab genau definieren

Argument: „Die Leerzeichen bezahle ich nicht“

Auf den ersten Blick ein recht ähnliches Argument wie das der unklaren Abrechnungsweise. Und ich gebe zu, als mir diese Bemerkung das erste Mal begegnet ist, war ich doch ein wenig fassungslos. Ich hatte den Kunden auf meine Abrechnungsweise vorab durchaus hingewiesen (Normzeile mit 55 Anschlägen). Er verstand unter Anschlägen aber nur Buchstaben, Zahlen und Satzzeichen. Mein Argument, dass man auch für die Leerzeichen einen Anschlag benötigt, nämlich den der Leertaste, stieß bei ihm auf völlig taube Ohren. Er meinte, Leerzeichen seien nicht sinnstiftend. Spätestens hier hatte ich dann auch begriffen, dass es sich um einen überaus beratungsresistenten Kunden handelte und jede weitere Argumentation vollkommen sinnlos gewesen wäre. Das habe ich ihm dann auch in meiner Antwort mitgeteilt – die keinerlei Leerzeichen enthielt. Ich habe den Auftrag damals nicht erhalten – was allerdings in meinen Augen kein Verlust war. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass derartige Argumente von Kunden kommen, für die ich eh lieber nicht arbeite, denn der Ärger ist hier schon vorprogrammiert.

Mögliche Reaktion: Schicken Sie Ihre letzte Antwort ohne Leerzeichen!

Argument: „Ich brauche keine perfekte Übersetzung. Ich muss nur wissen, was drin steht.“

Dieses Argument ist meines Erachtens durchaus nachvollziehbar. Der Kunde glaubt, man könne eben auch „grob“ übersetzen und es würde dann billiger. Schließlich kann man ja auch andere Dinge in der qualitativ hochwertigen oder eher billigen Variante einkaufen. Mag sein, dass es Kollegen gibt, die grob übersetzen können, ich persönlich kann das nicht. Zum einen kann ich mein Wissen und meine Erfahrung nicht abschalten, sie fließen also immer in meine Arbeit mit ein. Zum anderen kann und will ich aber auch keine schlechtere Arbeit liefern als das bestmögliche, zu dem ich fähig bin. Ich denke, alles andere wäre auf Dauer auch eher schädlich, denn auch wenn der Kunde keine „perfekte“ Übersetzung möchte, Fehler und Ungenauigkeiten, die ihm das Verständnis am Ende erschweren oder unmöglich machen, ihn vielleicht gar in die Irre leiten, möchte er ganz sicher auch nicht. Das kann man also versuchen, ihm zu erklären. Ansonsten kann man ihm aber auch anbieten, ihm statt der Übersetzung eine Zusammenfassung zu schreiben. Um wieviel diese günstiger wird, kommt dann allerdings auch auf den Text selbst an und darauf, ob Sie diese Dienstleistung überhaupt anbieten können – und wollen!

Mögliche Reaktion: Zusammenfassung anbieten!

Argument: „Wir haben ein günstigeres Angebot vorliegen.“

Diesem Argument ist nichts entgegenzusetzen. Oder? Ich denke schon. Die Frage ist nämlich vor allem: Sind die Angebote tatsächlich vergleichbar? Am einfachsten ist dieses Argument zu entkräften, wenn Sie detaillierte Angebote machen, in denen der Leistungsumfang Ihrer Übersetzung möglichst genau aufgeführt ist. Dann stellt sich nämlich eigentlich nur die Frage, ob das andere, „günstigere“ Angebot, auch dieselben Leistungen umfasst. In vielen Fällen wird dies nicht der Fall sein. Hier können Sie mit Ihrer Argumentation ansetzen und zur Not, wie bereits weiter oben beschrieben, einen Teil Ihrer Leistungen gegen entsprechende Preisreduzierung streichen.

Mögliche Reaktion: angebotene Leistungen vergleichen

Sicher hatten Sie auch schon die eine oder andere Erfahrung mit Preisdrückversuchen. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir davon erzählen und vielleicht hatten Sie ja auch eine gute Idee, wie Sie darauf reagieren konnten. Schreiben Sie mir!

* Der besseren Lesbarkeit halber habe ich mich in der Regel für die maskuline Form entschieden. Selbstverständlich sind damit natürlich alle Menschen jeglichen Geschlechts gemeint.