Vielleicht die wichtigste Frage, die sich jedem, der sich selbständig machen möchte, gleich zu Anfang stellt, ist die Frage nach dem Wert seiner Arbeit bzw. dem Preis seiner Leistung – die Honorarkalkulation. Bevor man anfängt, Kollegen zu fragen oder die Marktsituation zu analysieren ist es überaus sinnvoll zu überlegen, wieviel man eigentlich verdienen muss, um nicht nur kostendeckend, sondern auch gewinnbringend zu arbeiten.
Kostendeckend arbeiten wir ab dem Zeitpunkt, zu dem wir genau so viel verdienen, wie wir auch wieder ausgeben. Das bedeutet: wenn unsere Einnahmen abzüglich unserer Ausgaben genau Null ergeben. Gewinnbringend arbeiten wir, wenn danach noch etwas übrig bleibt, wir also mehr einnehmen, als wir ausgeben. Als selbständige Übersetzer und ganz allgemein als Freiberufler ist es unser Ziel, möglichst gewinnbringend zu arbeiten, also möglichst deutlich mehr einzunehmen, als wir insgesamt ausgeben. Dafür müssen wir als Selbständige zuerst einmal wissen, welche Ausgaben wir monatlich überhaupt haben. Anschließend müssen wir uns überlegen, wieviel wir gerne darüber hinaus verdienen wollen. Wenn wir das wissen, können wir den Stundensatz errechnen, den wir zugrunde legen müssen, um dieses Ziel zu erreichen. Diesen Stundensatz können wir dann wiederum in Zeilen-, Wort- oder Seitenpreise umwandeln.
Sie können die beigefügte Excel-Tabelle nutzen, um hier Ihre eigenen tatsächlichen Ausgaben einzutragen. Hierfür ist es sinnvoll, eine Zeitlang – am besten mindestens ein Jahr – über alle Ausgaben genau Buch zu führen. Sollten Sie dies bisher nicht machen, ist es etwas mühseliger, die verschiedenen Posten zusammenzutragen und vor allem nichts zu vergessen.
Privaten Bedarf errechnen
Der erste Schritt besteht darin, herauszufinden, wieviel Geld wir eigentlich monatlich bzw. jährlich brauchen. Das heißt, wir müssen herausfinden, welche Ausgaben wir überhaupt haben.
Dafür wollen wir als erstes einmal nur unsere privaten Ausgaben betrachten. Die angegebenen Werte sind Beispiele, die natürlich im Einzelfall völlig anders aussehen können. Damit Sie dieses Beispiel auch auf Ihre eigene Situation übertragen können, finden Sie hier eine Excel-Tabelle, in die Sie statt der blau hinterlegten Zahlen Ihre eigenen Beträge eintragen können. Wichtig ist, dass wir wirklich alle Ausgaben erfassen. Die Bezeichnungen in der Tabelle dienen nur als Hilfestellung, je nach eigener persönlicher Situation können weitere Positionen eingefügt oder auch andere Gruppierungen vorgenommen werden.
Posten | Monatlich | Jährlich |
Nahrungsmittel, Getränke, Genussmittel | 200,00 € | 2.400,00 € |
Bekleidung und Schuhe | 50,00 € | 600,00 € |
Wohnen, Energie, Wohnungsinstandhaltung | 600,00 € | 7.200,00 € |
Gesundheitspflege | 60,00 € | 720,00 € |
private Porto- und Telefonkosten | 50,00 € | 600,00 € |
Kfz-Kosten | 180,00 € | 2.160,00 € |
Freizeit, Unterhaltung, Kultur | 150,00 € | 1.800,00 € |
Hotel- und Restaurantkosten | 70,00 € | 840,00 € |
Zeitschriften und Bücher (einschl. Stadtbücherei) | 20,00 € | 240,00 € |
GEZ | 18,00 € | 216,00 € |
Urlaub | 100,00 € | 1.200,00 € |
private Versicherungen | 20,00 € | 240,00 € |
Gesamt | 1.518,00 € | 18.216,00 € |
Wären Sie angestellt, würden Sie in diesem Beispiel folglich ein Nettogehalt von monatlich 1.518,00 € benötigen. Daneben müssen wir als Selbständige unsere Krankenversicherung vollständig selbst bezahlen. Auch für das Alter müssen wir ebenso selbst vorsorgen wie für Zeiten, in denen wir keine Aufträge haben und auch kein Arbeitslosengeld erhalten. Zwar besteht die Möglichkeit, innerhalb von drei Monaten, nachdem man sich selbständig gemacht hat, eine Art freiwillige Arbeitslosenversicherung abzuschließen (das sogenannte „Versicherungspflichtver-hältnis auf Antrag“), die jedoch nur greift, falls man mit seiner Selbständigkeit endgültig scheitert. Für auftragslose bzw. auftragsschwache Zeiten und Zeiträume, in denen man aus irgendwelchen Gründen weniger oder gar nicht arbeiten kann, seine Selbständigkeit aber dennoch nicht vollständig aufgibt, muss man folglich in den Zeiten vorsorgen, in denen die Auftragslage besser ist. Für diese auftragsschwachen Zeiten müssen daher Rücklagen gebildet werden. In unserem nachfolgenden Beispiel werden diese Rücklagen nicht gesondert ausgewiesen sondern sind in der Überlegung enthalten, dass die Auslastung weniger als 100 % beträgt. In den Beispieldaten gehen wir von sehr optimistischen 80 % aus. Welche Auslastung auf Sie im Einzelnen zutrifft, können Sie nur wirklich feststellen, wenn Sie diesbezüglich eine Zeitlang sehr genau Buch führen.
Die privaten Kosten erhöhen sich also folgendermaßen:
Posten | Monatlich | Jährlich |
Privatausgaben (s.o.) | 1.518,00 € | 18.216,00 € |
Krankenversicherung1 | 310,00 € | 3.720,00 € |
Rentenversicherung / Altersvorsorge2 | 600,00 € | 7.200,00 € |
Gesamt | 2.428,00 € | 29.136,00 € |
1 Dieser Betrag beruht auf Angaben der Techniker Krankenkasse, TK, und stellt den Mindestbeitrag für Selbständige dar. Für Existenzgründer, die einen Existenzgründungszuschuss bekommen, ist der Beitrag etwas niedriger, was hier jedoch nicht berücksichtigt werden soll.
2 Dieser Betrag geht von einer voraussichtlichen Rente von 1.500,00 € aus. Damit ist dies ebenfalls eine Untergrenze, denn hier wird weder die Inflation noch die Tatsache berücksichtigt, dass der Lebensstandard im Laufe der Zeit steigen wird (oder sollte) und man dementsprechend im Alter natürlich eigentlich gerne etwas mehr Geld zur Verfügung hätte.
Geschäftliche Kosten berücksichtigen
Aufgrund Ihrer Selbständigkeit haben Sie nun natürlich auch noch beruflich bedingte Kosten wie Telefon, Büromaterial, Computer, Software, Büroausstattung usw. Außerdem brauchen wir ein Büro. Bei einem externen Büro fallen hier zusätzliche Kosten an. Die Kosten für einen Büroraum in der eigenen Wohnung werden aus den privaten Wohnkosten (Miete, Strom, Wasser usw.) herausgerechnet und bei den Geschäftskosten (s.u.) eingefügt.
Grundsätzlich ist bei den Geschäftskosten zwischen fixen und variablen Kosten zu unterscheiden. Fixkosten sind Kosten, deren Höhe nicht von Ihrem Auftragsvolumen bedingt wird. Hierzu gehört beispielsweise die Miete. Variable Kosten sind Kosten, deren Höhe von der Größe Ihres Auftragsvolumens abhängt. Recht deutlich wird dies bei den Portokosten. Je mehr Aufträge Sie haben, umso mehr Rechnungen müssen Sie schreiben – folglich steigen auch die Portokosten. Dieser Gedanke ist ein wenig im Hinterkopf zu behalten, wenn Sie die beigefügte Tabelle anhand Ihrer vergangenen Aufzeichnungen ausfüllen. Die variablen Kosten wie Portokosten, Büromaterial usw. werden nämlich steigen, sobald sich Ihr Auftragsvolumen vergrößert. Sie sinken in Jahren, in denen Sie weniger Aufträge haben.
Ebenfalls nicht berücksichtigt wird hier, dass am Anfang natürlich das Büro erst einmal ausgestattet werden muss und somit im ersten Jahr ein sehr viel höherer Betrag für die Büroausstattung und wahrscheinlich auch für Bücher anfällt. Allerdings sind Geräte und auch Büromöbel nicht ewig haltbar und müssen irgendwann einmal ersetzt werden. Normalerweise werden diese größeren Anschaffungen jährlich abgeschrieben, was wir in unserem Beispiel aber ebenfalls der Einfachheit halber unberücksichtigt lassen. Der Betrag für die Büroausstattung ist folglich ein jährlicher bzw. monatlicher Durchschnittswert. Wichtig ist bei der betrieblichen Betrachtung, dass hier nur die Nettobeträge zugrunde gelegt wurden, da die Mehrwertsteuer für einen Unternehmer, der nicht der Kleinunternehmerregelung unterliegt, ein durchlaufender Posten ist, der hier keine Berücksichtigung findet, weil er den Gewinn nicht beeinflusst.
Damit Sie anhand Ihrer eigenen Zahlen ein realistisches Bild erhalten, ist es an dieser Stelle sehr wichtig, nicht nur das vergangene oder gegenwärtige Jahr zu betrachten, sondern möglichst mit Durchschnittswerten der vergangenen Jahre zu arbeiten. Einen guten Durchschnitt erhalten Sie bereits, wenn Sie die vergangenen 5 Jahre zugrunde legen.
Posten | Monatlich (netto) | Jährlich |
Telefon, Handy, Internet | 60,00 € | 720,00 € |
Portokosten | 20,00 € | 240,00 € |
Bücher / Zeitschriften | 50,00 € | 600,00 € |
Büromaterial (Verbrauchsmaterial) + Softwarelizenzen | 100,00 € | 1.200,00 € |
Berufsverband | 20,00 € | 240,00 € |
Büroausstattung | 50,00 € | 600,00 € |
Miete + Nebenkosten Arbeitszimmer | 180,00 € | 2.160,00 € |
Werbung* | 100,00 € | 1.200,00 € |
Fortbildung | 50,00 € | 600,00 € |
Vermögensschadenhaftpflicht | 15,00 € | 180,00 € |
Gesamt | 645,00 € | 7.740,00 € |
* Die Werbekosten umfassen neben Anzeigen (z. B. in den Gelben Seiten), Flyern, Briefpapier und Visitenkarten auch Posten wie beispielsweise Weihnachtskarten oder Kundengeschenke usw.
Da das Kfz schon in den Privatkosten erfasst wurde, führen wir es hier nicht noch einmal auf. Im Prinzip kann der Wagen aber statt zu den Privatkosten auch zu den Betriebskosten gezählt werden, sofern dieser vorwiegend beruflich genutzt wird. Das wird insbesondere bei Dolmetschern oft der Fall sein, die hier dann sicherlich auch sehr viel höhere Kosten geltend machen müssen.
Bedarf | Monatlich | Jährlich |
privat | 2.428,00 € | 29.136,00 € |
geschäftlich | 645,00 € | 7.740,00 € |
Gesamt | 3.073,00 € | 36.876,00 € |
In unserem Beispiel ergeben sich also private und berufliche Kosten von 3.073,00 € monatlich. Der Nettoumsatz ist der Umsatz, den wir abzüglich aller Steuern, also ohne Mehrwertsteuer und Einkommensteuer, erwirtschaften. Da wir uns mit unserer aktuellen Planung im unteren Einkommensteuerbereich bewegen, rechnen wir hier der Einfachheit halber mit einem Einkommensteuersatz von 20 %. In der Excel-Tabelle können Sie diesen Steuersatz Ihrer eigenen Situation entsprechend ändern. Um zu berechnen, welchen Umsatz wir mit den hier zugrunde gelegten Zahlen tatsächlich erwirtschaften müssten, um zum einen unsere Geschäftsausgaben und zum anderen unsere Lebenshaltungskosten zu decken, müssen wir eine Rechnung aufstellen, die auf den ersten Blick recht kompliziert anmutet (die Excel-Tabelle errechnet das selbst):
Nettogewinn = Privatkosten / (1 – Steuersatz)
d.h. in unserem Beispiel:
Nettogewinn = 29.136,00 € / (1-20 %) = 36.420,00 €
Wobei wir an dieser Stelle weder Kirchensteuer noch Solidaritätszuschlag berücksichtigt haben.
Der erforderliche Nettogewinn beträgt folglich 36.420,00 €. Diesem addieren wir nun die errechneten Geschäftsausgaben von 7.740,00 € hinzu und erhalten damit einen erforderlichen Jahresumsatz von
36.420,00 €
+ 7.740,00 €
= 44.160,00 €
In unserem Beispiel müssten wir also allein zur Deckung unserer minimalen Lebenshaltungskosten bereits einen Netto-Jahresumsatz (also ohne Umsatzsteuer, s. o.) von 44.160,00 € erwirtschaften.
Einfacher nachzuvollziehen ist diese Rechnung sicher in der beigefügten Excel-Tabelle. Auch hier können Sie anstelle der blau hinterlegten Zahlen Ihre eigenen Beträge einsetzen. Hier sind auch Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag eingefügt. Allerdings müssen Sie die Kirchensteuer an mindestens einer Stelle auf 0 Prozent setzen, da Sie ja entweder in Bayern oder Baden-Württemberg oder in einem der anderen Bundesländer besteuert werden. Zudem gibt es noch spezielle Steuersätze für die einzelnen Bundesländer bei Pauschalbesteuerung oder besonders niedrigen Einkommen. Sie können die Steuersätze an dieser Stelle folglich entsprechen den für Sie geltenden Bestimmungen anpassen. Nicht berücksichtigt wurde die Kapitalertragssteuer, da diese Berechnung den Rahmen eines einfachen Excel-Blattes sprengen würde.
Wie viel kann ich arbeiten?
Die nächste Berechnung, die wir anstellen müssen, ist die der verfügbaren Arbeitszeit. Das Jahr hat bekanntlich nur 365 Tage und der Tag nur 24 Stunden. Einen Teil davon müssen wir schlafen, sind krank oder ruhen uns aus und so bleibt nur ein Bruchteil unserer tatsächlichen Lebenszeit übrig, den wir in Arbeit investieren können. Wir werden im Folgenden ausrechnen, wieviel Zeit uns tatsächlich für effektive Arbeit zur Verfügung steht, wenn wir „normal“ arbeiten. Denn das sollten wir als Grundlage für unseren idealen Stundensatz nehmen. Dass wir später dann durchaus einmal mehr arbeiten können, steht auf einem anderen Blatt. Auf Dauer gesehen werden wir nicht mehr Zeit investieren können, denn das macht irgendwann unsere Gesundheit nicht mehr mit. Sinnvoll für die Planung ist es, von der Arbeitszeit eines Angestellten auszugehen, um festzustellen, wie viele Tage bzw. Stunden uns jährlich tatsächlich zur Verfügung stehen. Wir gehen von einer 40-Stunden-Arbeitswoche und einem Jahr mit 365 Tagen aus.
Ein Angestellter hat 30 Tage Urlaub, 12 Tage sind Feiertage, eine Woche ist er möglicherweise krank. Dazu gibt es noch 104 Wochenendtage in 52 Wochen. Es bleiben also 214 Arbeitstage.
In einer 40-Stunden-Woche wird täglich 8 Stunden gearbeitet. Allerdings wird niemand 8 Stunden täglich übersetzen. Zum einen müssen wir Zeit für Akquise einplanen. Zum anderen gibt es zahlreiche Nebenarbeiten, wie beispielsweise Telefonate führen, Rechnungen und Angebote schreiben, Bestellungen aufgeben usw. Auch die Ablage und die Buchhaltung müssen erledigt werden. Für alle diese Arbeiten müssen im Durchschnitt täglich ca. 2 Stunden eingeplant werden. Das mag auf den ersten Blick viel erscheinen, ist aber durchaus realistisch. Es bleiben also 30 Stunden. Damit verfügen wir über eine effektive tägliche Arbeitszeit von ca. 6 Stunden. Bei 214 Arbeitstagen sind das 1.284 Stunden. In diesen 1.284 Stunden müssen wir gemäß unserem Beispiel nun die obigen 44.160,00 € erwirtschaften. Das bedeutet: Wir müssten pro Stunde 34,39 € verdienen, um den erforderlichen Jahresumsatz zu generieren, bei dem wir dann allerdings erst kostendeckend gearbeitet haben. Das heißt, wir haben noch keinen Gewinn gemacht. Zudem müssten wir dafür dann auch wirklich das ganze Jahr über zu 100 % ausgelastet sein. Und hätten dann gerade einmal unsere betrieblichen Kosten und unseren grundlegenden privaten Lebensunterhalt gedeckt. Wir haben noch kein Geld zurückgelegt, um uns irgendwann ein neues Auto kaufen zu können, um Geschenke zu kaufen oder einen neuen Wohnzimmerschrank. Auch anfallende Betriebsausgaben für Steuerberater oder Buchführung sind in unserem Beispiel nicht berücksichtigt. Diese Arbeiten müssen wir also − neben unserer Übersetzertätigkeit − ebenfalls selbst innerhalb der oben erwähnten 2 Stunden täglich erledigen – oder wir müssen hierfür weitere Ausgabenposten einfügen. Weiterhin haben wir kein Geld für auftragsschwache Zeiten zurückgelegt. Sobald wir nämlich nur zu 80 % ausgelastet, haben wir schon nur noch 1.027 Stunden zur Verfügung, um denselben Betrag zu erwirtschaften. In diesem Fall müssten wir pro Stunde bereits 42,99 € einnehmen.
Honorarkalkulation: Zeilenpreis ermitteln
Angesichts der zugrunde gelegten Zahlen können wir davon ausgehen, dass die Übersetzerin in unserem Beispiel alleinstehend und Berufsanfängerin ist. Sie wird also sicherlich noch nicht zu 100 % ausgelastet sein und auch 80 % Auslastung sind bereits sehr optimistisch gerechnet. Wir können daher der Einfachheit halber von einem erforderlichen Mindeststundensatz von 45,00 Euro ausgehen. Nun ist die nächste Frage: Wie viele Zeilen / Worte oder Seiten schaffen wir in einer Stunde? Bei einem einfachen Text schafft auch ein Anfänger vielleicht zwei bis drei Seiten (wobei mit Seiten hier sogenannte „Normseiten“ von 30 Normzeilen gemeint sind). Bei schwierigeren Texten − und davon wird ein Anfänger noch sehr viele haben, denn wie schwer ein Text ist, hängt ja ganz stark von der eigenen persönlichen Erfahrung ab, die dem Anfänger noch fehlt − wird man vielleicht nur eine halbe bis ganze Seite pro Stunde schaffen. Doch da man als Freiberufler stets eine Mischkalkulation vornehmen muss (das heißt mit Durchschnittswerten arbeiten sollte), gehen wir hier (also in unserem obigen Zahlenbeispiel einer Anfängerin) jetzt einfach mal von durchschnittlich 30 Zeilen pro Stunde aus. Für einen Stundensatz von 45,00 Euro müssten wir folglich bei 30 Zeilen pro Stunde bereits 1,50 € pro Zeile zugrunde legen. Mit diesem Zeilenpreis würden wir dann − wirtschaftlich gesehen − genau die erforderlichen 44.160,00 € Umsatz im Jahr erwirtschaften, also genau so viel verdienen, wie wir auch wieder ausgeben, was bedeutet, dass wir keinen Cent auf die Seite legen könnten. Daher sollte sowohl unser Stunden- als auch unser Zeilensatz besser deutlich darüber liegen.
Diese kleine Musterrechnung zeigt recht anschaulich, dass ein Zeilenpreis von unter 1,50 € bzw. einem Stundensatz von 45,00 € auf Dauer nicht rentabel ist. Der Übersetzer in unserem Beispiel kann damit zwar kostendeckend, nicht aber gewinnbringend arbeiten. Nichtsdestotrotz hilft diese kleine Musterrechnung vielleicht, die eigenen Preise einmal neu zu berechnen und zu überdenken. Erst wenn wir wissen, bei welchem Preis wir kostendeckend arbeiten, kennen wir unsere absolute Untergrenze. Jeder Auftrag, der weniger einbringt, ist auf Dauer gesehen ein Verlustgeschäft. Wirklich angemessen bezahlt ist unsere Arbeit erst, wenn sie deutlich darüber liegt. Erst wenn wir so viel Gewinn erwirtschaften, dass wir damit auch außerplanmäßige Ausgaben decken, regelmäßig in Urlaub fahren und uns hin und wieder etwas Besonderes leisten können, gelangen wir langsam in die Bereiche, in denen sich unsere Selbständigkeit tatsächlich rentiert. All diejenigen, denen das vollkommen unrealistisch erscheint, sollten sich überlegen, ob eine Selbständigkeit als Übersetzer für sie wirklich in Frage kommt.
Disclaimer: Die Ergebnisse der Excel-Tabelle stellen trotz aller Berechnungen nur Schätzungen dar, eine genaue Einkommenssteuerberechnung ist in diesem Rahmen keinesfalls möglich.
Hallo Andrea,
da hast du dir viel Arbeit gemacht, chapeau!
Allerdings erscheinen mir einige Zahlen zu hoch gegriffen, so z. B. 1.800 € im Jahr für Büromaterial und -ausstattung oder die 3.840 € für Freizeit, Urlaub, Hotel und Restaurant. Auch die privaten + geschäftlichen Telefonkosten von insgesamt 1.320 € sind m.E. zu hoch. Dagegen ist der Mitgliedsbeitrag in einem Berufsverband wie BDÜ höher.
Desweiteren geht das Statistische Bundesamt davon aus, dass Freiberufler im Durchschnitt 15 Werktage im Jahr Urlaub machen (also keine Aufträge bearbeiten).
30 Tage Urlaub gibt es 1. in Deutschland 2. nur in tarifgebundenen Unternehmen. In zahlreichen KMU sind es lediglich 5 Wochen, also 25 Tage. Der Durchschnitt der Feiertage wird vom Stat. BA mit 11 berechnet, da Feiertage auch mal auf ein Wochenende fallen. Was mir in der Berechnung der Arbeitstage fehlt, ist die Weiterbildung.
Und last but not least: 6 Stunden Übersetzen und 2 Stunden Verwaltung – auch das erscheint mir zu hoch gegriffen. Das sind 25% des Arbeitstages oder … 3 Monate im Jahr!
Letzten Endes ist es doch ganz einfach: Kosten niedrig halten, gute Marktpositionierung mit guten Wortpreisen (mit Zeilen kann ich nicht gut rechnen), guter Output von mindestens 2.500 Wörtern pro Tag (mit Dragon Naturally Speaking locker zu schaffen) – dann ist man auf der sicheren Seite. Der Knackpunkt bei den meisten KollegInnen ist die Marktpositionierung (und die Akquise). Da hilft auch keine Rechnerei.
Herzliche Grüße
Giselle
Liebe Giselle,
vielen Dank für deinen Blickwinkel. Da ich die Fortbildungstage nicht berücksichtigt habe, kommen wir mit den Arbeitstagen dann am Ende ja auch wieder auf das selbe Ergebnis. Und 2 Stunden Verwaltung scheint mir gerade am Anfang durchaus realistisch. Auch weil noch viel mehr Zeit für Akquise benötigt wird, weil man sich in viele Dinge noch mehr einarbeiten muss. Früher brauchte ich beispielsweise viel mehr Zeit für meine Buchhaltung als heute. Und was die Zahlen angeht: Sie sind Beispiele, die sich an realen Personen orientieren. Sie werden sicher bei jedem einzelnen etwas anders ausfallen. Dafür gibt es ja dann das Excel-Blatt, damit jeder seine eigenen Berechnungen anstellen kann. Und ich kann nur davon abraten von Idealsituationen wie 7-8 Stunden Arbeitszeit täglich auszugehen. Dann kann ich zwar billigere Zeilenpreise rechtfertigen, aber eine realistische Einschätzung habe ich damit nicht.
Liebe Andrea,
ja, mit der Fortbildung kommen wir in etwa hin.
Das Excel-Tableau ist gut gemacht, bravo!
Aber eines muss ich noch nachschicken: 7-8 Stunden Arbeitszeit pro Tag ist keine „Idealsituation“, das sollte Realität sein. Als Festangestellte war ich in der Regel 10-11 Stunden in der Firma, und in meiner Zeit dort als Übersetzerin habe ich sehr wohl 8 Stunden am Tag übersetzen müssen. Natürlich mit Pausen. Da gab es keinen PC und keinen Dragon. 🙂
Freiberufler sind Unternehmer, und Unternehmer „sollten“ eigentlich mehr arbeiten als „nur die 6 Stunden“ am Tag. Aber ich weiß, dass ich ziemlich allein mit meiner Einstellung zur Arbeit stehe. 😉 Wobei es nicht darum geht, mehr zu arbeiten, um niedrigere (weil es billige Preise nicht gibt) Preise anzubieten, sondern um den Umsatz zu erhöhen.
Liebe Giselle,
dein letzter Satz ist der wichtige Punkt! In meiner Berechnung geht es nicht darum, dass wir als Freiberufler am Ende mehr als 8 Stunden täglich arbeiten werden oder darum zu sagen: legt nach 8 Stunden den Griffel nieder! Es geht an dieser Stelle hier darum, unser Honorar zu kalkulieren und dafür gewisse Prämissen zu setzen. Anhand dieser Prämissen errechnen wir unseren erforderlichen Stundensatz. Von daher bin ich grundsätzlich deiner Meinung, aber die ist für die mathematische Berechnung der unteren Schmerzgrenze unseres Mindesthonorars bzw. unseres Wunschhonorarrs unerheblich. Wenn ich hinterher mit diesem Honorar so viele Kunden habe, dass ich auch mehr als 8 Stunden täglich arbeiten kann und ausgelastet bin, umso besser: dann steigere ich meinen Umsatz! Ein Geschäftsführer eines großen Unternehmens arbeitet auch mehr als 8 Stunden. Er hat aber auch ein sechsstelliges Jahresgehalt.
Liebe Andrea,
diese Excel-Tabelle ist eine große Hilfe!
Danke!
Lotte Andréani
Eine hervorragende Zusammenfassung. Ich verlinke immer gern auf diesen Post, wenn Berufseinsteiger in diversen Foren und Facebook-Gruppen Fragen stellen, wie viel sie denn verlangen könnten. Eigentlich gehören diese Zahlenspiele ja in jeden Businessplan und sowieso zum Obligatorischen, bevor man sich selbstständig macht, aber leider scheinen viele ja erst mal irgendwie anzufangen …