FehlerJeder macht Fehler. Auch der Sorgfältigste übersieht einmal etwas. In dem ein oder anderen Buch, das ich bisher übersetzt habe, das von mir mehrmals Korrektur gelesen wurde, bevor ich es dem jeweiligen Verlag zurückgegeben habe, finde ich, jedenfalls in der ersten Auflage, gelegentlich noch einen übersehenen Fehler. Manchmal ist es nur ein Komma. Manchmal ist es aber auch peinlicher. Dabei durchlaufen Bücher meist ja noch ein Lektorat, manchmal sogar Lektorat und Korrektorat. Das heißt, den Text haben – neben dem Übersetzer – noch mindestens ein bis zwei weitere Personen sorgfältig gelesen. Und trotzdem wird immer wieder irgendetwas übersehen. Das ist nicht nur bei Büchern so, das gilt für alle Texte. Und das gilt nicht nur für Texte, sondern für alles, was Menschen tun. Chirurgen „vergessen“ gelegentlich sogar Utensilien in ihren Patienten. Das ist natürlich sehr viel unangenehmer als ein kleiner, sinnentstellender Druckfehler in einem Buch. Trotzdem ist auch das ärgerlich. Am meisten für denjenigen, der den Fehler verursacht hat. Doch ärgern hilft da meist wenig.

Schlimmer ist es, wenn ein Endkundentext Fehler enthält, die niemand gesehen hat. Wenn der Kunde anruft und sich beschwert. Das sind Situationen, die oft nicht nur peinlich sind, sondern manchmal auch gravierende Folgen haben können. Ein in mehreren tausend Exemplaren gedruckter Flyer, in dem die Adresse falsch ist, ein technischer Text zur Tragfähigkeit einer Brücke, in dem der Übersetzer eine Null zu viel oder zu wenig eingefügt hat – solche Fehler können teuer werden.

Für diese Zwecke hat der professionelle Übersetzer eine Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen. Damit werden dann zumindest die Kosten aufgefangen. Doch was ist mit dem Image-Verlust? Hier ein paar Tipps, wie man mit eigenen Fehlern umgehen und manchmal sogar genau dadurch die Kundenbindung festigen kann.

Das Telefon klingelt. Sie heben ab und kommen kaum dazu, Ihren Namen zu nennen, da hagelt es bereits Vorwürfe. Der Kunde beschwert sich über eine „total mangelhafte“ Übersetzung. Ein ziemliches Horrorszenario für jeden Übersetzer. Und nun?

  1. Bleiben Sie ruhig, atmen Sie tief durch und sagen Sie … nichts. Lassen Sie den Kunden erst einmal reden. Ein wütender Kunde ist nicht ansprechbar. Jedes Wort, das Sie jetzt sagen, wird ihn nur noch mehr aufregen. Beruhigen können Sie ihn zu diesem Zeitpunkt sowieso nicht. Lassen Sie ihn also so lange reden, bis er von selbst schweigt.
  1. Sobald Sie das Gefühl haben, der Kunde hat sich seinen ganzen Ärger von der Seele geredet und schweigt, zählen Sie innerlich langsam bis drei. Schweigt der Kunde weiterhin, geben Sie ihm ganz ruhig zu verstehen, dass Sie seine Beschwerde zur Kenntnis genommen haben und nachvollziehen können, wenn er mit Ihrer Leistung nicht zufrieden ist.Sie sollten sich an dieser Stelle (noch) nicht für irgendetwas entschuldigen. Aber dass er mit Ihrer Leistung nicht zufrieden ist, ist eine Tatsache. Die können Sie anerkennen.Meist tritt bereits hier eine gewisse Beruhigung ein. Zum einen hat der Kunde sich seinen Ärger von der Seele geredet, zum anderen bekommt er die Rückmeldung: angekommen.
  1. Jetzt können Sie freundlich darum bitten, dass er Ihnen konkrete Beispiele für die Fehlerhaftigkeit Ihrer Arbeit liefert. Fordern Sie ihn auf, das am besten schriftlich zu tun, damit Sie es sich in Ruhe anschauen können und versprechen Sie ihm, dass Sie sich kurzfristig wieder melden werden. Sobald Sie die fragliche Übersetzung schwarz auf weiß vor sich haben, schauen Sie sich alles in Ruhe an. Hat der Kunde recht und Sie haben tatsächlich Fehler gemacht? Handelt es sich einfach um „Geschmacksfragen“? Irrt der Kunde vielleicht an manchen Stellen gar? Alles ist möglich. Sehen Sie es sich genau an und nehmen Sie dann ganz sachlich Stellung. Geschmacksfragen kann man ebenso leicht entkräften wie Irrtümer. Wichtig dabei ist, sachlich zu bleiben. Für mich ist der Kunde König. Ich erläutere meine Entscheidung wenn nötig. Doch wenn der Kunde gerne „welches“ statt „das“ in seinem Text sehen möchte, selbst dann noch wenn ich ihm erklärt habe, dass sich das oft schwerfällig und überhaupt nur „gewollt literarisch“ anhört, dann schreibe ich das auch. Jedenfalls in Industrieübersetzungen.
  2. Gesetzt den Fall der Kunde hat tatsächlich Recht und Ihnen ist ein Fehler unterlaufen. Dann suchen Sie keine Ausflüchte. Geben Sie den Fehler zu. Irren ist menschlich, Fehler machen auch. Fehler einzugestehen, zeugt von Professionalität und innerlicher Größe. Übrigens: wenn ich Praktikanten beschäftige, dann werden Fehler niemals auf diese abgewälzt! Als Chefin bin ich die letzte Instanz, bevor eine Übersetzung mein Büro verlässt. „Da hat meine Praktikantin/Sekretärin wohl etwas übersehen!“ ist ganz schlechter Stil. Nicht erforderlich ist, dass Sie sich nun innerlich steinigen und dem Kunden gegenüber klein machen. Sie haben einen Fehler gemacht, vielleicht auch zwei oder drei. Wahrscheinlich hatten Sie einen schlechten Tag. Das kommt in den besten Unternehmen vor. Oder Sie kannten sich einfach nicht gut genug mit dem Thema aus, haben nicht ausreichend recherchiert. Was auch immer die Ursache war, Sie können etwas daraus lernen. Und es beim nächsten Mal besser machen. Und Sie können aus dieser Situation lernen, wie man mit Fehlern umgeht. Keinesfalls sollten Sie versuchen den Fehler zu rechtfertigen oder klein zu reden. Entschuldigen Sie sich. Punkt. Lernen Sie aus Ihrem Fehler. Und dann kommt der letzte Schritt:
  3. Bieten Sie dem Kunden ein Entgegenkommen an – selbst dann, wenn Sie keinen Fehler gemacht haben und selbst wenn Sie ihn nachträglich sogar von Ihrem Text überzeugen konnten! Beispielsweise durch einen entsprechenden Preisnachlass. Jedenfalls wenn Sie diesen Kunden gerne behalten möchten. Der Kunde war unzufrieden. Selbst wenn Sie das Problem lösen konnten, wird er sich an diese Unzufriedenheit möglicherweise noch lange erinnern. Das ist nicht gut. Wenn Sie ihm hingegen entgegenkommen, wird er sich auch daran erinnern. Die wenigsten werden dann anfangen immer wieder vermeintliche Fehler zu finden. Und wenn doch, dann wissen Sie beim nächsten Mal ja, wohin der Hase läuft und spätestens dann können Sie überlegen, ob Sie einen solchen Kunden wirklich halten wollen. Wobei dieses Entgegenkommen immer angemessen bleiben sollte. Ein kleiner Kommafehler rechtfertigt sicherlich keinen Preisnachlass von 50 Prozent!

 Doch aufgepasst, es gibt tatsächlich Kunden, die versuchen über angebliche Fehler den Preis zu drücken. In diesem Fall wird es keine wirklichen Mängel in Ihrer Übersetzung geben. Hier ist es ganz besonders wichtig sachlich zu bleiben. Und natürlich gibt es hier keinerlei Entgegenkommen Ihrerseits.

 In allen anderen Fällen gilt: Nobody ist perfect – und mein Name ist nicht Nobody. Also mache ich auch Fehler. Das ist für alle Beteiligten ärgerlich, es tut mir sehr leid, aber ich bin auch bereit, dafür einzustehen. Und falls Sie in diesem oder irgendeinem anderen meiner Texte irgendwelche Fehler entdecken sollten, dann dürfen mir das gerne mitteilen! Jeder Fehler ist nämlich immer auch eine Gelegenheit, etwas zu lernen und sei es nur die eigene Aufmerksamkeit noch weiter zu schulen! An dieser Stelle bin ich geizig: Wer Fehler findet, darf sie keinesfalls behalten!

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