Filouis

Kennen Sie diese Situation? Sie suchen verzweifelt ein bestimmtes Wort, das Ihnen einfach nicht einfallen will? Irgendwann geben Sie auf. Wären Sie Französin oder Franzose, würden Sie dann vielleicht sagen: „Je donne ma langue au chat“, was so viel bedeutet wie, dass Sie es aufgeben, weiter nach diesem Wort zu suchen. Oder Sie machen ein Kreuzworträtsel und suchen einen Künstler mit sieben Buchstaben, der Ihnen einfach nicht einfallen will. Irgendwann geben Sie Ihre Zunge oder ihre Sprache (denn „la langue“ bedeutet ja beides) der Katze – sie geben auf.

Alles in allem eine recht merkwüridge Redewendung, nicht wahr? Vor allem aber eine, bei der uns auch die Übersetzung erst einmal nicht viel weiterhilft: „Ich gebe meine Zunge/Sprache der Katze“ – aha! Wirklich selbsterklärend ist das jetzt nicht, oder?

Eine mögliche Erklärung wäre, dass hier zwei Redewendungen zusammenfinden. Zum einen ein Ausdruck, der Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts auftaucht: „jeter sa langue aux chiens“ und bereits so viel heißt wie, dass man nicht weiter weiß. So schreibt Charles Baudelaire am 5. Februar 1869 an seinen Freund Asselineau: „ Le mal persiste. Et le médecin a prononcé le grand mot : hystérie. En bon francais: je jette ma langue aux chiens.“ (Charles Baudelaire, Correspondance, Band 2, Calmann-Lèvy, 1878, S. 56-57).

Zu Baudelaires Zeiten ist die Hysterie noch recht unbekannt und er kann mit dieser Diagnose nicht viel anfangen. Er weiß nicht weiter. Die Zunge bzw. die Sprache, die nutzlos geworden ist, weil man die Lösung nicht findet und folglich auch nicht aussprechen kann, wird dem Hund zum Fraß vorgeworfen.

Der zweite Ausdruck wäre „mettre quelque chose dans l’oreille du chat“ (der Katze etwas ins Ohr setzen). Er findet sich beispielsweise bei George Sand. In „La Petite Falette“ geht es um Zwillinge. Mère Sagette, eine weise Frau, rät dem Vater, Père Barbeau, er solle seine Kinder möglichst ungleich kleiden und behandeln und fügt hinzu: „Ce que je vous dis là, j’ai grand peur que vous ne le mettiez dans l’oreille du chat ; mais si vous ne le faites pas, vous vous en repentirez grandement un jour“ (George Sand, La Petite Fadette, Martine Reid, Gallimard, Folio classique, 2004, S. 41).

Die Mère Sagette ist also davon überzeugt, dass er diesen Ratschlag gewissermaßen der Katze anvertrauen wird – er wird in Vergessenheit geraten und niemand wird mehr darüber sprechen. Die Katze als Geheimnisträger gewissermaßen. Schließlich kann sie ja nicht sprechen und folglich auch keinesfalls etwas ausplaudern.

Donner sa langue au chat“ wäre demnach eine Kombination dieser beiden Ausdrücke, die unnütz gewordene Zunge/Sprache, die vormals dem Hund zum Fraß vorgeworfen wurde, wird nun der Katze gegeben: sie wird das „Nicht-Gesagte“ auf sorgfältig bewahren.

Mit anderen Worten: Wenn uns etwas nicht einfällt, dann brauchen wir auch keine Sprache, um es auszudrücken, keine Zunge, es auszusprechen, doch statt diese unnütze Zunge/Sprache nun dem Hund zum Fraß vorzuwerfen, geben wir sie lieber der Katze: sie wird sie aufbewahren für später, wenn wir sie wieder gebrauchen können. In der Zwischenzeit bewahrt sie unser Geheimnis.

Es gibt allerdings auch noch eine zweite Theorie: Demnach hätte sich der Ausdruck einfach abgeschwächt, indem aus dem gefährlichen Hund eine weniger gefährliche Katze geworden ist und man seine Zunge/Sprache nun nicht mehr wirft, sondern einfach nur weggibt.

Quelle: u.a. www.expressio.de