Jeder Text ist anders, ebenso wie jede Zielgruppe. Damit stellt jeder Text aber auch eigene Anforderungen an seinen Übersetzer. Es geht gewissermaßen um das Schwierigkeitsniveau der einzelnen Texte, das natürlich in gewisser Weise auch den Preis bestimmt. Je schwieriger der Text, desto aufwändiger die Übersetzung und desto mehr Zeit wird dafür benötigt.
Hierzu vorab eine Anmerkung. Manche Kollegen bieten ihren Kunden an, eine Übersetzung gewissermaßen in der „Rohfassung“ zu liefern. Die Idee dahinter ist nachvollziehbar: Der Kunde möchte nur „ungefähr wissen, was da drin steht“ und sicherlich auch Geld sparen. Der Übersetzer ist bereit ihm entgegenzukommen, möchte dann aber auch nicht mehr Zeit als nötig investieren.
Das Dilemma: Zum einen liefert man einen Text, der sprachlich noch nicht wirklich ausgefeilt ist, zum anderen verzichtet man auf jegliche Recherche. Gelegentlich hat ein solcher Text nicht einmal eine Rechtschreibprüfung durchlaufen.
Das Problem: Einmal erworbenes Wissen kann man nicht einfach abschalten. Wenn ich einen Fachtext übersetze, dann fließt mein gesamtes Wissen, das ich in den vergangenen mehr als zwanzig Jahren angesammelt habe, in diese Arbeit mit ein. Das kann ich nicht einfach abstellen. Oder haben Sie schon einmal versucht, nicht mehr zu wissen, was ein Haus ist? Ich fürchte, das würde schwierig. Ich kann auch meine Sprach- und Ausdrucksfähigkeit usw. nicht einfach ausschalten. Meine Fähigkeiten kann ich immer nur zu hundert Prozent mit einbringen. Natürlich könnte ich jetzt bei einer solchen Übersetzung einfach auf die eine oder andere notwendige Recherche verzichten. Doch möchte ich meinem Kunden tatsächlich eine Übersetzung liefern, von der ich selbst nicht sicher bin, dass sie auch richtig ist?
Bestenfalls wird der Kunde die Übersetzung für mittelmäßig halten, schlimmstenfalls für grottenschlecht. Und genau das möchte ich nicht. Wenn ich einen Text liefere, dann soll dieser Text auch fertig sein. Dann möchte ich selbst mit meiner Arbeit zufrieden sein, vorher gebe ich sie nicht her. Ich gebe zu, ich habe in der Vergangenheit versucht, dem Kunden auf Wunsch diesbezüglich entgegenzukommen. Wissen Sie was passiert ist? Ich habe den Text trotzdem so weit überarbeitet, dass er am Ende inhaltlich richtig und sprachlich gut lesbar war. Kurz gesagt: ich bin nicht dazu in der Lage, einen rohübersetzten Text zu liefern.
Allerdings gibt es trotzdem die Möglichkeit, Texte nach ihrem jeweiligen Arbeitsaufwand und den Anforderungen, die sie an ihre Übersetzer stellen, einzuteilen. Eines sollte allerdings immer gleich sein: man sollte Ihrem Text die Übersetzung nicht anmerken.
Der Gebrauchstext
Viele Texte dienen einzig und allein der Informationsübermittlung. Sie sind weder stilistisch noch sprachlich sonderlich ausgefeilt und enthalten so gut wie keine oder nur ganz wenige Fachbegriffe. Diese Texte erfordern keine größeren Recherchen und können im Prinzip von jedem Übersetzer, der als solcher über ein meist sehr umfangreiches Allgemeinwissen verfügt, übersetzt werden. Doch Vorsicht: Eine einfache Sprache ist nicht unbedingt ein Zeichen dafür, dass auch die Übersetzung einfach ist. Manchmal ist genau das ganz besonders schwierig in eine andere Sprache zu übertragen. An dieser Stelle sind also nicht unbedingt einfache Texte gemeint, sondern vor allem Texte, die in kurzen Sätzen verfasst sind, keine oder nur sehr wenige Fachbegriffe enthalten und die weder zur Veröffentlichung noch zu einer weiteren Verbreitung gedacht sind. Beispiele dafür sind kurze interne Mitteilungen, Nachfragen oder Informationen.
Die Fachübersetzung und die rechtssichere Übersetzung
In diesen Texten müssen die Fachbegriffe „sitzen“, der Text muss gut und verständlich lesbar sein. Da ich persönlich vor allem juristische Übersetzungen mache, beziehe ich mich hier mehr auf die rechtssichere Übersetzung. Im Prinzip ist das Nachfolgende jedoch auch auf jede andere Fachübersetzung übertragbar.
Eine rechtssichere Übersetzung ist so abgefasst, dass sie – zumindest inhaltlich – später auch beglaubigt werden könnte. Die landestypischen Rechtsprinzipien, die es in der Zielsprache nicht gibt, müssen als solche kenntlich gemacht und, wo erforderlich, erläutert werden. Ein solcher Text sollte unbedingt von einem „Profi“ übersetzt und am besten auch lektoriert werden. Andernfalls wird der Leser sofort merken, dass der Übersetzer keine wirkliche Ahnung von dem hatte, was er da übersetzt hat. Je nach Zielgruppe und Zweck des Textes sind hier gelegentlich auch mehr oder weniger umfangreiche Fußnoten erforderlich.
Die Publikumsübersetzung (Veröffentlichung)
Manche Texte werden nicht nur intern verwendet, sondern sollen gedruckt und veröffentlicht werden. Das ist insbesondere der Fall bei Büchern. Aber auch Firmenbroschüren, Unternehmensdokumentationen, Handbücher usw. werden in unterschiedlich hohen Auflagen veröffentlicht. Die Übersetzung muss hier nicht nur den Sinn und Inhalt des Textes wiedergeben sondern auch die sprachlichen Eigenheiten, den Stil, die Persönlichkeit des Textes gewissermaßen. Hier macht es ganz sicher Sinn, wenn die Übersetzung noch durch eine zweite Person Korrektur gelesen und lektoriert wird. Bei Verlagen übernimmt das meist der Lektor. Viele Übersetzer – insbesondere wenn sie nach Din zertifiziert sind – bieten jedoch auch das Vier-Augen-Prinzip an, bei dem ein Kollege den Text noch einmal gegenliest.
Die lokalisierte Übersetzung
Manche Texte können eigentlich gar nicht übersetzt werden. Das ist der Fall bei Werbeslogans oder bei Software. Sie müssen an die Gepflogenheiten, die Kultur und die Interessen der Zielgruppe angepasst werden. Software muss zum Teil sogar umprogrammiert werden, sofern die Mehrsprachigkeit nicht von vorneherein geplant war. Juristische Texte, die in einem anderen Land Verwendung finden und dem dort geltenden Recht entsprechen sollen, müssen an das Rechtssystem des Ziellandes angepasst werden.
Es ist leicht einsehbar, dass ein Teil dieser Aufgaben nicht mehr in den Tätigkeitsbereich des Übersetzers fällt. Hier ist, im Anschluss an die Übersetzung, eine Überarbeitung durch den Programmierer, einen Werbetexter oder einen Anwalt erforderlich.
Was die vorbereitende Übersetzung angeht, so ist es hier am besten, wenn der Übersetzer den Ausgangstext erst einmal gemeinsam mit dem Kunden durchgeht und überarbeitet. Häufig sind ganze Passagen für das Zielland völlig unnötig, dafür müssten aber andere Passagen eingefügt werden. Der Übersetzer kann den Text gemeinsam mit dem Kunden entsprechend vorbereiten und übersetzt dann tatsächlich nur das, was auch für das Zielland relevant ist.
Die beglaubigte Übersetzung
Beglaubigte, bescheinigte oder bestätigte Übersetzungen – je nach Bundesland heißt das ganz unterschiedlich – dürfen nur von eigens hierfür zugelassenen Übersetzern angefertigt werden. Auch Übersetzungsbüros dürfen solche Übersetzungen nicht anfertigen. Sie können diese allerhöchstens vermitteln, den Stempel und die Unterschrift leisten jedoch stets einzelne, speziell zu diesem Zweck zugelassene Übersetzer. Auch hier hängt die Berufsbezeichnung davon ab, in welchem Bundesland der Übersetzer ansässig ist. Eine Liste der in Frage kommenden Übersetzer findet sich im Internetportal der Justizbehörden. Eine solche Übersetzung muss zudem auch noch das Layout des Ausgangstext so getreu nachbilden, dass der Leser sofort erkennen kann, welcher Text wo übersetzt wurde. Die bescheinigte Übersetzung wird mit dem Stempel und der Unterschrift des Übersetzers zu einem neuen Original, einer neuen Urkunde. Damit hat der Übersetzer eine sehr große Verantwortung, weshalb er sich auch nur in ganz seltenen Fällen bereit erklären wird, die von einem anderen angefertigte Übersetzung zu beglaubigen, obwohl das durchaus gestattet ist.